Six Thinking Hats: Ein bewährtes Werkzeug für kreatives und kritisches Denken
Im Marketing stehen Entscheidungsträger täglich vor komplexen Herausforderungen: Welche Zielgruppe soll angesprochen werden? Welche Kampagne bringt den größten Erfolg? Wie lassen sich Budgets effizient einsetzen, wenn Informationen unvollständig sind und unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen? Gerade im Marketing Management ist es entscheidend, kreative Ideen mit kritischem Denken zu verbinden und Entscheidungen strukturiert vorzubereiten.
Hier kommen Denkwerkzeuge ins Spiel. Sie helfen dabei, Perspektiven zu wechseln, Gedanken zu ordnen und Entscheidungsprozesse transparenter zu machen. Eines der bekanntesten und bewährtesten Modelle ist das Six Thinking Hats Framework von Edward de Bono. Mit diesem Ansatz lassen sich Diskussionen im Team strukturieren, kreative Prozesse gezielt fördern und gleichzeitig Risiken im Blick behalten. Besonders im Marketing kann das Framework seine Stärke entfalten – sei es bei der Entwicklung neuer Kampagnen, in der Markenstrategie oder beim Krisenmanagement.

Ursprung des Six Thinking Hats Frameworks (Edward de Bono)
Das Six Thinking Hats Framework wurde von dem maltesischen Arzt und Psychologen Edward de Bono entwickelt und erstmals in den 1980er-Jahren vorgestellt. De Bono gilt als einer der bekanntesten Vordenker im Bereich Kreativität und Problemlösung. Sein Ziel war es, ein Werkzeug zu schaffen, das es Menschen ermöglicht, strukturierter, klarer und gleichzeitig kreativer zu denken.
Klassische Diskussionen sind oft geprägt von Konfrontation: Eine Person bringt ein Argument, die andere Person widerspricht, und so geht es hin und her. De Bono stellte fest, dass dadurch viel Energie verloren geht und wertvolle Ideen auf der Strecke bleiben.
Mit dem Ansatz des „parallelen Denkens“ schlägt er eine Alternative vor. Anstatt gegeneinander zu argumentieren, konzentrieren sich alle Beteiligten jeweils auf dieselbe Denkrichtung. Die Metapher der „sechs Hüte“ steht dabei für verschiedene Denkrollen, die nacheinander bewusst eingenommen werden.
So entsteht eine klare Struktur: Zuerst werden Fakten gesammelt, dann Gefühle zugelassen, anschließend Risiken betrachtet, Chancen identifiziert, kreative Ideen entwickelt und schließlich das Ganze gesteuert und zusammengeführt.
Die sechs Hüte im Detail erklärt

⚪ Weißer Hut: Fakten und Informationen
Der weiße Hut steht für Neutralität, Daten und objektive Informationen. Wer den weißen Hut trägt, konzentriert sich ausschließlich auf das, was bekannt ist – und auf das, was noch fehlt.
Kernidee:
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Fokus auf Zahlen, Daten, Fakten
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Keine Meinungen, keine Gefühle
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Erkennen von Informationslücken
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Klärung der Zuverlässigkeit von Quellen
Beispiel im Alltag:
Stell dir vor, ein Team überlegt, ob ein neues Produkt eingeführt werden soll. Mit dem weißen Hut wird zunächst gesammelt: Marktanalysen, Produktionskosten, Wettbewerberpreise, bisherige Kundenumfragen. Noch nicht bewertet – nur dokumentiert.
Dieser Schritt sorgt für eine sachliche Grundlage, bevor Gefühle, Risiken oder Ideen ins Spiel kommen.
🔴 Roter Hut: Emotionen und Intuition
⚫ Schwarzer Hut: Risiken und Kritik
Der schwarze Hut steht für kritisches Denken, Vorsicht und mögliche Risiken. Hier geht es darum, potenzielle Schwächen, Gefahren und negative Folgen zu erkennen – bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Kernidee:
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Analyse von Problemen und Schwachstellen
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Hinweis auf Hindernisse, rechtliche Aspekte oder Kosten
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Betonung von realistischen Risiken statt blindem Optimismus
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Schutz vor Fehlentscheidungen
Beispiel im Alltag:
Bei der Planung einer neuen Produktlinie könnte unter dem schwarzen Hut gesagt werden:
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„Die Produktionskosten sind höher als bei unseren Wettbewerbern.“
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„Wir riskieren, unsere Stammkunden zu verlieren, wenn wir den Fokus zu stark verschieben.“
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„Die Lieferkette ist instabil, das könnte zu Engpässen führen.“
Der schwarze Hut sorgt also dafür, dass Euphorie nicht zu vorschnellen Entscheidungen führt. Er ist wie eine Art Frühwarnsystem, das mögliche Stolperfallen sichtbar macht.
🟡 Gelber Hut: Chancen und Optimismus
Der gelbe Hut steht für positives Denken, Nutzen und Möglichkeiten. Während der schwarze Hut Risiken aufzeigt, geht es beim gelben Hut darum, bewusst die Vorteile und Chancen zu betrachten.
Kernidee:
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Fokus auf Potenziale, Stärken und Möglichkeiten
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Erkennen von Vorteilen, die eine Idee oder Entscheidung mit sich bringt
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Förderung einer konstruktiven Haltung
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Realistischer Optimismus: Chancen erkennen, ohne naiv zu sein
Beispiel im Alltag:
Bei der Diskussion über eine neue Dienstleistung könnte unter dem gelben Hut gesagt werden:
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„Wenn wir dieses Angebot einführen, erschließen wir eine neue Zielgruppe.“
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„Das Projekt könnte unsere Marke innovativer wirken lassen.“
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„Die Investition ist hoch, aber die langfristige Kundenbindung wäre ein klarer Vorteil.“
Der gelbe Hut sorgt dafür, dass nicht nur Risiken dominieren. Er lenkt den Blick auf das, was funktionieren kann – und motiviert dazu, die positiven Seiten bewusst mitzudenken.
🟢 Grüner Hut: Kreativität und Ideen
Der grüne Hut steht für Kreativität, neue Ansätze und unkonventionelles Denken. Hier geht es darum, Ideen zu entwickeln, die über das Offensichtliche hinausgehen. Logik oder Machbarkeit spielen in diesem Moment eine untergeordnete Rolle – der Fokus liegt auf Fantasie, Innovation und Perspektivenwechsel.
Kernidee:
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Förderung von Brainstorming ohne sofortige Bewertung
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Ermutigung zu ungewöhnlichen Vorschlägen
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Einsatz von Kreativitätstechniken (z. B. Mindmaps, „Was-wäre-wenn“-Fragen, Provokationen)
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Entwicklung von Alternativen, wenn eine Idee festzustecken scheint
Beispiel im Alltag:
In einer Diskussion über einen neuen Service könnte unter dem grünen Hut gesagt werden:
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„Was wäre, wenn wir das Produkt komplett digital anbieten würden?“
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„Wir könnten Kooperationen mit völlig anderen Branchen prüfen.“
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„Statt Preissenkungen: Wie wäre ein Premium-Angebot mit Zusatznutzen?“
Der grüne Hut eröffnet neue Denkwege und bricht Muster auf. Dadurch werden frische Lösungen möglich, die in einer rein fakten- oder risiko-orientierten Diskussion kaum entstehen würden.
🔵 Blauer Hut: Überblick und Steuerung
Der blaue Hut steht für Organisation, Struktur und Kontrolle des Denkprozesses. Während die anderen Hüte jeweils bestimmte Inhalte oder Perspektiven liefern, kümmert sich der blaue Hut um das „Wie“ des Denkens. Er sorgt dafür, dass die Methode strukturiert abläuft und am Ende zu einem Ergebnis führt.
Kernidee:
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Festlegen, wann welcher Hut eingesetzt wird
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Zusammenfassen von Zwischenergebnissen
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Sicherstellen, dass alle Perspektiven berücksichtigt wurden
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Fokus auf Prozess und Ziel statt auf Inhalte
Beispiel im Alltag:
Bei einem Team-Workshop könnte jemand mit dem blauen Hut sagen:
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„Lasst uns zuerst die Fakten zusammentragen (weißer Hut), bevor wir die Risiken diskutieren.“
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„Wir haben viele Ideen gesammelt (grüner Hut), jetzt sollten wir Chancen und Vorteile herausstellen (gelber Hut).“
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„Zum Abschluss fasse ich zusammen, welche Punkte wir priorisieren.“
Der blaue Hut ist damit eine Art Moderatorrolle, die sicherstellt, dass Diskussionen nicht ins Chaos abdriften, sondern zielgerichtet und effizient bleiben.
Anwendung in der Praxis: Die Six Hats im Kontext des Marketings
Das Six Thinking Hats Framework ist zwar nicht dafür entwickelt worden, lässt sich aber besonders gut im Marketing einsetzen, weil hier komplexe Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen Daten, Kreativität, Risiken und Emotionen zusammenkommen. Typische Situationen sind die Entwicklung neuer Kampagnen, die Gestaltung von Markenbotschaften oder strategische Budgetentscheidungen.
Anwendung im Marketing-Management
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Kampagnenentwicklung
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Weißer Hut: Analyse von Zielgruppen-Daten, Conversion Rates, Markt- und Wettbewerbsfakten.
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Roter Hut: Intuition – wie wirkt das geplante Storytelling emotional? Welche Bilder und Botschaften lösen etwas aus?
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Schwarzer Hut: Kritische Betrachtung – ist die Kampagne zu teuer, riskant oder potenziell missverständlich?
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Gelber Hut: Chancen erkennen – welche Reichweite, Markenstärkung oder Umsatzsteigerungen könnten erzielt werden?
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Grüner Hut: Kreative Ansätze entwickeln – alternative Slogans, neue Kanäle, originelle Content-Formate.
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Blauer Hut: Moderation – das Team lenken, den Ablauf strukturieren, die Ergebnisse bündeln.
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Strategische Entscheidungen
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Soll in einen neuen Markt eingetreten werden?
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Soll ein höherer Anteil des Budgets in Performance Marketing fließen oder in langfristigen Markenaufbau?
→ Mit den Hüten können Risiken und Chancen strukturiert beleuchtet werden, ohne dass ein Aspekt dominiert.
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Marketing-Meetings
Anstatt dass Diskussionen chaotisch verlaufen, sorgt die Hut-Methode für klare Phasen: erst Daten, dann Emotionen, dann Risiken, dann Chancen, dann Kreativität, und zuletzt Struktur. Das spart Zeit und verhindert, dass sich Teammitglieder gegenseitig blockieren. -
Einzelarbeit im Marketing
Auch als Einzelperson kann man die Methode nutzen, z. B. beim Schreiben eines Werbetextes:-
Weißer Hut: Fakten zur Zielgruppe sammeln
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Roter Hut: Welche Emotion soll der Text ansprechen?
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Schwarzer Hut: Könnte die Formulierung negativ oder missverständlich wirken?
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Gelber Hut: Wo liegen die Stärken der Botschaft?
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Grüner Hut: Gibt es noch eine originellere Idee?
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Blauer Hut: Alles strukturieren und finalisieren
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Vorteile und Grenzen des Frameworks
Vorteile des Frameworks
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Strukturierte Diskussionen
Statt dass in Meetings alle gleichzeitig reden und Argumente durcheinanderfliegen, bringt das Framework eine klare Reihenfolge. Das erhöht die Effizienz und reduziert Reibungsverluste. -
Ganzheitliche Sichtweise
Unternehmensentscheidungen basieren nicht nur auf Daten, sondern auch auf Emotionen, Kreativität und Risikoeinschätzung. Das Six Thinking Hats Framework stellt sicher, dass keine Perspektive untergeht. -
Förderung von Kreativität
Gerade im Marketing sind innovative Ideen entscheidend. Der grüne Hut bietet einen geschützten Raum für Kreativität, ohne dass diese sofort kritisiert wird. -
Bessere Teamdynamik
Jeder Hut gibt allen im Team die gleiche Rolle im jeweiligen Moment. Dadurch können sich auch zurückhaltendere Teammitglieder einbringen – nicht nur die Lautesten oder Hierarchisch Höchsten. -
Effizientere Entscheidungen
Durch den strukturierten Ablauf werden Diskussionen nicht nur schneller, sondern auch fundierter. Das Ergebnis: Marketing-Entscheidungen sind besser begründet und haben eine höhere Akzeptanz im Team.
Grenzen des Frameworks
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Einarbeitungsaufwand
Teams müssen sich an die Methode gewöhnen. Anfangs kann es künstlich oder „zu schulisch“ wirken, wenn alle bewusst einen Hut „aufsetzen“. -
Zeitintensität
Wenn jeder Hut ausführlich durchgegangen wird, kann der Prozess mehr Zeit beanspruchen als eine spontane Diskussion – vor allem bei kleinen Entscheidungen. -
Abhängigkeit von Moderation
Damit das Framework funktioniert, braucht es jemanden im blauen Hut, der die Struktur konsequent einhält. Ohne diese Steuerung kann die Methode leicht verwässern. -
Nicht für jede Situation geeignet
Für schnelle Ad-hoc-Entscheidungen ist das Framework oft zu aufwendig. Es eignet sich besser für strategische Fragen oder wichtige Kampagnenplanungen.

Fazit: Kreativer und kritischer denken lernen
Das Six Thinking Hats Framework zeigt, wie wirkungsvoll es sein kann, das eigene Denken bewusst zu strukturieren. Anstatt Diskussionen dem Zufall zu überlassen oder einseitig Entscheidungen zu treffen, bietet die Methode eine klare Abfolge: Zuerst Fakten, dann Emotionen, anschließend Risiken, Chancen, kreatives Denken und schließlich die Steuerung.
Gerade im Marketing und Marketing Management kann dieser Ansatz ein echter Gamechanger sein. Ob bei der Entwicklung einer neuen Kampagne, bei Budgetentscheidungen oder in der Markenstrategie – die sechs Hüte helfen, alle relevanten Perspektiven zu berücksichtigen und zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Das Besondere an diesem Modell ist seine Balance: Es verbindet nüchterne Analyse mit emotionalem Gespür, kritische Vorsicht mit konstruktivem Optimismus und kreative Freiheit mit klarer Struktur. So entstehen Ideen, die nicht nur innovativ, sondern auch tragfähig und realistisch sind.
Wer die Methode regelmäßig anwendet, trainiert sein Denken: kritischer, kreativer und bewusster. Und genau darin liegt der größte Wert – nicht nur für Teams, sondern auch für Einzelpersonen, die ihr Denken auf das nächste Level bringen wollen.
Wenn dich solche Denkwerkzeuge faszinieren und du tiefer einsteigen möchtest, wie man kreative Methoden in der Praxis für bessere Entscheidungen nutzt, findest du in meinem Buch eine Vielzahl an weiteren Frameworks, die du nutzen kannst, um dein Marketing auf das nächste Level zu bringen.
Quellen und Verweise
Edward de Bono – Six Thinking Hats (1985)
https://www.debonogroup.com/services/core-programs/six-thinking-hats
https://www.bitesizelearning.co.uk/resources/six-thinking-hats-technique
https://www.imfusio.com/en/bibliotheque/bono-s-six-thinking-hats
https://safetyculture.com/topics/six-thinking-hats
https://imfusio.com/en/bibliotheque/bono-s-six-thinking-hats
https://www.groupmap.com/portfolio/six-thinking-hats
https://untools.co/six-thinking-hats
https://mutomorro.com/tools/six-thinking-hats
https://www.debono.com/six-thinking-hats-summary
https://airfocus.com/glossary/what-are-the-six-thinking-hats