Das Kano-Modell einfach erklärt: Kategorien, Analyse und Beispiele

Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die Kunden nicht nur zufriedenstellen, sondern sie im besten Fall auch begeistern. Doch wie lässt sich herausfinden, welche Merkmale für Kunden selbstverständlich sind, welche Erwartungen sie haben – und womit man sie positiv überraschen kann? Genau hier setzt das Kano-Modell an.

Das Modell liefert einen strukturierten Ansatz, um Kundenzufriedenheit zu messen und Kundenbedürfnisse zu analysieren. Es unterscheidet verschiedene Arten von Produktmerkmalen und zeigt, welche Auswirkungen diese auf die Zufriedenheit haben. Dadurch wird es zu einem wertvollen Werkzeug für Produktmanager, Marketer und alle, die sich mit Kundenerfahrung und Produktentwicklung beschäftigen.

Definition und Ursprung des Kano-Modells

Das Kano-Modell wurde in den 1980er-Jahren von dem japanischen Professor Noriaki Kano entwickelt. Sein Ziel war es, ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, wie unterschiedliche Produktmerkmale die Kundenzufriedenheit beeinflussen. Während klassische Ansätze vor allem auf den Zusammenhang zwischen der Erfüllung von Erwartungen und der Zufriedenheit setzten, zeigte Kano, dass dieser Zusammenhang weitaus komplexer ist.

Das Modell verdeutlicht: Nicht alle Merkmale eines Produkts wirken sich gleich auf die Wahrnehmung des Kunden aus. Manche Eigenschaften gelten als selbstverständlich, andere können positiv überraschen – und wieder andere sorgen sogar für Unzufriedenheit. Indem Unternehmen diese Unterschiede verstehen, können sie gezielter entscheiden, in welche Merkmale sie investieren sollten, um den größten Mehrwert für ihre Kunden zu schaffen.

Die fünf Kategorien im Überblick

Kano-Modell-Diagramm: Darstellung von Basismerkmalen, Leistungsmerkmalen, Begeisterungsmerkmalen, Indifferenzmerkmalen und Rückweisungsmerkmalen in Bezug auf Erfüllungsgrad und Kundenzufriedenheit.

Im Kern des Kano-Modells stehen fünf Kategorien von Produkt- und Service-Merkmalen, die sich unterschiedlich stark auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Diese sind:

  1. Basismerkmale (Must-Haves)
  2. Leistungsmerkmale (Performance Features)
  3. Begeisterungsmerkmale (Excitement Features)
  4. Unerhebliche Merkmale (Indifferent Features)
  5. Rückweisungsmerkmale (Reverse Features)

Jede dieser Kategorien beschreibt eine eigene Dynamik zwischen Erwartung, Erfüllung und Zufriedenheit. Wer das Modell versteht, kann besser einschätzen, welche Faktoren zwingend erfüllt werden müssen, welche die Zufriedenheit steigern und welche man lieber vermeiden sollte.

Basismerkmale

Basismerkmale sind die grundlegenden Anforderungen an ein Produkt oder eine Dienstleistung. Kunden setzen sie als selbstverständlich voraus, ohne sie bewusst wahrzunehmen.

  • Wenn sie erfüllt sind, entsteht keine besondere Zufriedenheit – der Kunde sieht es schlicht als Standard.
  • Wenn sie nicht erfüllt sind, führt dies zu starker Unzufriedenheit.

Beispiel: Ein Hotelzimmer, das sauber ist. Niemand lobt die Sauberkeit ausdrücklich, aber ein dreckiges Zimmer sorgt sofort für negative Bewertungen.

Leistungsmerkmale

Leistungsmerkmale, auch Performance Features genannt, sind Eigenschaften, die Kunden bewusst erwarten und die direkt proportional mit der Zufriedenheit zusammenhängen. Je besser diese Merkmale erfüllt sind, desto zufriedener sind die Kunden – werden sie dagegen vernachlässigt, führt das zu Unzufriedenheit.

  • Wenn sie erfüllt sind, steigt die Zufriedenheit im gleichen Maß, wie die Leistung zunimmt.
  • Wenn sie nicht erfüllt sind, sinkt die Zufriedenheit entsprechend stark.

Beispiel: Die Akkulaufzeit eines Smartphones. Je länger das Gerät ohne Aufladen funktioniert, desto besser bewerten Kunden das Produkt. Eine schwache Akkulaufzeit dagegen sorgt schnell für Kritik.

Begeisterungsmerkmale

Begeisterungsmerkmale sind Eigenschaften, mit denen Kunden nicht unbedingt rechnen, die sie aber positiv überraschen und echte Freude auslösen können. Ihre Anwesenheit hat einen überproportionalen Einfluss auf die Zufriedenheit – fehlen sie, entsteht jedoch keine Unzufriedenheit, da sie nicht erwartet wurden.

  • Wenn sie erfüllt sind, erzeugen sie Begeisterung und ein stark positives Erlebnis.
  • Wenn sie nicht erfüllt sind, bleibt die Zufriedenheit neutral.

Beispiel: Ein Autohersteller stattet ein Mittelklassemodell plötzlich serienmäßig mit einem innovativen Assistenzsystem aus, das in dieser Klasse nicht üblich ist. Kunden sind begeistert, obwohl sie vorher gar nicht damit gerechnet hatten.

Unerhebliche Merkmale

Unerhebliche Merkmale, auch Indifferent Features genannt, sind Eigenschaften, die für die Kundenzufriedenheit keine Rolle spielen. Ihre Anwesenheit oder Abwesenheit bleibt den meisten Kunden gleichgültig.

  • Wenn sie vorhanden sind, steigern sie die Zufriedenheit nicht.
  • Wenn sie fehlen, führen sie auch nicht zu Unzufriedenheit.

Beispiel: Die Farbe der Innenverkabelung in einem elektronischen Gerät. Kunden nehmen dieses Detail weder wahr, noch hat es Einfluss auf ihre Kaufentscheidung oder Zufriedenheit.

Rückweisungsmerkmale

Rückweisungsmerkmale, auch Reverse Features genannt, sind Eigenschaften, die von Kunden als störend oder sogar negativ empfunden werden. Statt die Zufriedenheit zu steigern, bewirken sie das Gegenteil: Sie führen zu Unzufriedenheit, sobald sie vorhanden sind.

  • Wenn sie vorhanden sind, sinkt die Zufriedenheit deutlich.
  • Wenn sie fehlen, steigt die Zufriedenheit – weil Kunden das Produkt oder die Dienstleistung dadurch als passender wahrnehmen.

Beispiel: Eine Software, die zu viele automatische Pop-up-Benachrichtigungen einblendet. Obwohl diese Funktion eigentlich als „Hilfestellung“ gedacht ist, empfinden Kunden sie als störend und ärgerlich.

Die Kano Analyse: Methode und Ablauf

Um herauszufinden, wie bestimmte Merkmale auf die Kundenzufriedenheit wirken, wird im Rahmen des Kano-Modells eine systematische Analyse durchgeführt. Ziel ist es, die Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung den fünf Kategorien des Modells zuzuordnen.

Der Ablauf lässt sich in drei Schritte gliedern:

  1. Identifikation relevanter Merkmale – Zunächst wird festgelegt, welche Produkt- oder Serviceeigenschaften untersucht werden sollen. Das kann durch interne Workshops, Brainstormings oder Kundenfeedback geschehen.
  2. Erhebung der Kundensicht – Mithilfe spezieller Fragen wird erhoben, wie Kunden auf das Vorhandensein oder Fehlen eines Merkmals reagieren würden.
  3. Auswertung und Zuordnung – Die Antworten werden systematisch analysiert und den Kategorien des Kano-Modells zugeordnet.

Damit wird sichtbar, welche Merkmale als selbstverständlich gelten, welche Zufriedenheit schaffen und welche besser vermieden werden sollten.

Kano-Fragebogen (funktional & dysfunktional)

Der Kano-Fragebogen ist das zentrale Werkzeug der Analyse. Für jedes Merkmal werden den Kunden zwei Fragen gestellt:

  • Funktionale Frage: „Wie würden Sie reagieren, wenn dieses Merkmal vorhanden wäre?“
  • Dysfunktionale Frage: „Wie würden Sie reagieren, wenn dieses Merkmal nicht vorhanden wäre?“

Antwortmöglichkeiten reichen von „Ich wäre begeistert“ über „Ich erwarte es“ bis hin zu „Ich würde es nicht mögen“.

Kano-Fragebogen-Antwortskala: von ‚Ich würde es nicht mögen‘ (--) über ‚Ich kann damit leben‘ (-), ‚Es wäre mir egal‘ (0), ‚Ich erwarte es‘ (+) bis ‚Ich wäre begeistert‘ (++).
Kano-Fragebogen-Antwortskala: ‚Wie würden Sie reagieren, wenn das Merkmal nicht vorhanden wäre?‘ mit Optionen von ‚Ich würde es nicht mögen‘ (--) bis ‚Ich wäre begeistert‘ (++).

Durch die Kombination der Antworten lässt sich erkennen, ob ein Merkmal eher als Basisfaktor, Leistungsmerkmal, Begeisterungsfaktor, unerheblich oder gar als Rückweisungsmerkmal einzustufen ist.

Auswertung der Ergebnisse mit der Kano-Matrix

Die Antworten aus dem Kano-Fragebogen werden in einer Kano-Matrix zusammengeführt. Diese Matrix zeigt auf, welche Kategorie einem Merkmal zugeordnet werden kann.

So funktioniert die Auswertung:

  • Jede Kombination aus funktionaler und dysfunktionaler Antwort führt zu einer eindeutigen Einordnung (z. B. Basismerkmal, Leistungsmerkmal oder Begeisterungsmerkmal).
  • Merkmale, die von vielen Kunden unterschiedlich bewertet werden, zeigen, dass es unterschiedliche Kundensegmente mit abweichenden Erwartungen gibt.
  • Durch die Analyse wird sichtbar, welche Eigenschaften Pflichtbestandteile, Wettbewerbsdifferenzierer oder sogar Risiken darstellen.
Kano-Auswertungstabelle: Kreuztabelle mit funktionalen und dysfunktionalen Antworten, die je nach Kombination zu Basismerkmalen, Leistungsmerkmalen, Begeisterungsmerkmalen, Rückweisungsmerkmalen, unerheblichen Merkmalen oder fragwürdigen Antworten führen.

Die Kano-Matrix bietet Unternehmen damit eine visuelle Grundlage, um Entscheidungen in der Produkt- oder Serviceentwicklung zu priorisieren. So lässt sich klar erkennen, in welche Merkmale sich eine Investition lohnt – und welche man vermeiden sollte.

Beispiele: Anwendung des Kano-Modells

Um die Funktionsweise des Kano-Modells greifbarer zu machen, nehmen wir ein fiktives Beispiel aus dem Bereich E-Commerce.

Ein Online-Shop für Elektronikprodukte möchte seine Website optimieren. Das Team identifiziert mehrere mögliche Merkmale:

  1. Schnelle Ladezeiten der Website
  2. Kostenloser Versand ab einem bestimmten Bestellwert
  3. Personalisierte Produktempfehlungen
  4. Animierte Hintergrundgrafiken
  5. Automatisches Abspielen von Produktvideos beim Seitenaufruf

Mithilfe eines Kano-Fragebogens werden die Kunden befragt. Die Auswertung zeigt folgendes Bild:

  • Schnelle Ladezeiten → Basismerkmal: Wird als selbstverständlich erwartet. Fehlt es, führt es zu sofortiger Unzufriedenheit.
  • Kostenloser Versand → Leistungsmerkmal: Je attraktiver die Versandkonditionen, desto zufriedener die Kunden.
  • Personalisierte Empfehlungen → Begeisterungsmerkmal: Kunden rechnen nicht damit, freuen sich aber über den zusätzlichen Komfort.
  • Animierte Hintergrundgrafiken → Unerheblich: Weder positiv noch negativ relevant für die Zufriedenheit.
  • Automatisch startende Produktvideos → Rückweisungsmerkmal: Wird von den meisten als störend empfunden.

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie das Kano-Modell dabei hilft, Investitionsentscheidungen gezielt zu treffen und Ressourcen in die Merkmale zu lenken, die für Kunden wirklich wichtig sind.

Vorteile, Grenzen und Kritik am Kano-Modell

Vorteile

  • Kundenzentrierung: Das Modell stellt die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt und hilft dabei, Erwartungen und Zufriedenheit systematisch zu erfassen.
  • Einfache Struktur: Durch die fünf Kategorien lässt sich schnell erkennen, welche Merkmale kritisch, wichtig oder nice-to-have sind.
  • Priorisierung von Investitionen: Unternehmen können besser entscheiden, in welche Produkt-Features Zeit und Geld fließen sollten.
  • Innovationsförderung: Begeisterungsmerkmale machen sichtbar, mit welchen Eigenschaften sich Produkte von der Konkurrenz abheben können.

Grenzen

  • Zeit- und Ressourcenaufwand: Die Erstellung und Auswertung eines Kano-Fragebogens erfordert sorgfältige Planung und Analyse.
  • Subjektivität der Antworten: Kunden können je nach Stimmung oder Erfahrung unterschiedliche Einschätzungen abgeben.
  • Schnelle Veränderungen: Kundenbedürfnisse ändern sich über die Zeit. Was heute ein Begeisterungsmerkmal ist, kann morgen schon ein Basismerkmal sein (z. B. WLAN im Hotel).

Kritikpunkte

Manche Experten bemängeln, dass das Kano-Modell die Komplexität von Kundenerwartungen vereinfacht und nicht alle Dimensionen der Kundenzufriedenheit abbildet. Es eignet sich daher am besten als ergänzendes Werkzeug in Kombination mit weiteren Methoden wie Customer Journey Mapping oder Net Promoter Score.

Fazit: Wie das Kano-Modell in der Praxis Mehrwert schafft

Das Kano-Modell ist ein wertvolles Werkzeug, um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und gezielt in die Produkt- oder Serviceentwicklung einfließen zu lassen. Es hilft Unternehmen dabei, zwischen Pflichtanforderungen, Leistungsfaktoren und Begeisterungsmerkmalen zu unterscheiden – und dadurch Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

Besonders in Zeiten steigender Kundenerwartungen liefert die Methode einen klaren Vorteil: Sie zeigt, welche Features wirklich zählen und wo Unternehmen ihre Produkte differenzieren können. Gleichzeitig verdeutlicht sie, welche Eigenschaften zwar kostenintensiv wären, aber keinen spürbaren Nutzen für die Kundenzufriedenheit bringen.

Das Modell ist damit kein Allheilmittel, aber eine strategische Ergänzung im Werkzeugkasten des Produktmanagements, Marketings und der Customer Experience. Wer es regelmäßig anwendet und mit anderen Methoden kombiniert, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Neben dem Kano-Modell gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Büchern, die interessant für dein Marketing sein könnten. Um mehr Modelle kennenzulernen, empfehle ich dir mein Buch „Marketing Management Frameworks“, das diese Frameworks erklärt. Über das Buch kannst du dich auf meiner Buchseite informieren. 

Quellen und Verweise

https://asana.com/de/resources/what-is-kano-model

https://studyflix.de/wirtschaft/kano-modell-1177

https://www.fuer-gruender.de/wissen/existenzgruendung-planen/unternehmensstrategie/kano-modell

https://www.microtool.de/wissen-online/was-ist-das-kano-modell

https://blog.seeburger.com/de/was-ist-das-kano-modell

https://www.intervista.ch/research-guide-marktforschung/kano

https://omr.com/de/reviews/contenthub/kano-modell

https://www.questionpro.de/kano-modell-zur-identifikation-von-treibern-der-zufriedenheit

https://blog.seeburger.com/de/wie-wendet-man-das-kano-modell-an

https://www.buchhaltung-einfach-sicher.de/bwl/kano-modell

https://youexec.com/tools/kano-modell-gmt

https://survalyzer.com/de/kano-modell-analyse

https://easy-feedback.de/umfrage-beispiele/kundenzufriedenheit-fragebogen-vorlage/kano-modell

https://lucid.co/de/blog/kano-modell

https://www.appinio.com/de/blog/marktforschung/kano-modell-umfassender-guide

https://www.justinmind.com/de/blog/kano-modell-produktmanager

https://www.weka.ch/themen/management/strategie-und-innovation/business-development/article/kano-modell-als-impulsgeber-fuer-die-innovation

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